Überschäumendes Begehren und die Grenzen der Sprache
02.08.2019 • ERDROTATION
"Psychoanalyse erlernt man zunächst am eigenen Leib, durch das Studium der eigenen Persönlichkeit."
Sigmund Freud*
- Freitag, 2. August 2019, 17:30 Uhr
Erdrotation – Dialogorientierte, undogmatische Gesprächsrunde.
Zeitlich offen.
Ort: Düsseldorf
In privatem Rahmen
(Interessentinnen und Interessenten können den Ort gern erfragen: 02161 / 2932093)
Hilflosigkeit - Einige Bezüge
Die genuinen Verhältnisse von Text, Lektüre und Sprechen laufen in Jacques Derridas Konzept der Différance auf ein gigantisches Programm hinaus. Sein Name ist: Dekonstruktion. Seine Grundbedingung ist die Existenz von Texten.
In psychoanalyse-nahen Diskursen wird Sprechen in ein Verhältnis zum Begehren, dem Wunsch, dem Unbewussten gesetzt. Der Discours de l’Analyste Jacques Lacans rückt das gebarrte Subjekt an den Platz des Anderen und generiert so das Genießen, la jouissance.
Wie geht es uns, wenn wir nicht in Texten unterwegs sind und nicht im Zimmer mit der Couch? Wenn wir an uns selbst und andere Forderungen stellen, von Forderungen ereilt werden, die jeweils Ausdruck eines unvermeidlich verschobenen, repräsentierten Begehrens sind, das sich aus strukturellen Gründen rational nicht einholen lässt?
Von bloßem Spannungsfeld zu sprechen ist symbolisch. Hier wäre die Spur (la trace) eine dekonstruktive Hilfe, doch wird ihr ja immer bereits unmittelbar gefolgt. Jean-Paul Sartres La Psychoanalyse existentielle (in: Das Sein und das Nichts) lässt den ‚Entwurf‘ (le projet) als treibende Kraft zur Freiheit fungieren, die Begierden sind das Bewusstsein selbst!**
Und das große Andere, das uns mit Begehren versorgt, ganz überschäumend manchmal?
Solange es in einigermaßen bekannten Sprachen daher kommt, ist es meist willkommen, gegebenenfalls auch abweisbar. Doch wenn seine Konnotationen sich kollektiv verdrängter – und auf der anderen Seite der Verdrängung affirmativ adoptierter – Signifikanten bedient, verschoben, umgewertet, expressiv begehrend? ‚Ich will Dich‘ – mit Haut und Haaren?
Und wenn das solchermaßen zum Objekt gewordene Subjekt seine analytische Haltung bewahrt und einen ‚Sinn‘ (Signifiant maître) in dem sucht, was ‚objektiv‘ als die Produktion eines Discours de l’Hysterique erscheint? Ihren Signifikantenketten, ihrem Wissen? Ihrem Begehren?
Sich in die Rationalität universitärer Diskurse zu retten oder schlicht Herrschaft zu reklamieren versenkt das Reich der Begierde. Produziert Hilflosigkeit in der Unfähigkeit, das Verschwindende festzuhalten.
Und was ist, wenn – durchaus auch frühkindliche (regressiv) – Hilflosigkeit sich als unabweisbare Wahrheit in der Begegnung mit dem Begehren des und der Anderen (m/w) einstellt?
* Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1916)
** "Hüten wir uns also, diese Begierden als kleine psychische Entitäten anzusehen, die das Bewusstsein bewohnen: sie sind das Bewusstsein selbst in seiner ursprünglichen pro-jektiven und transzendenten Struktur, insofern es grundsätzlich Bewusstsein von etwas ist." (957)